Häusliche Gewalt umfasst alle Handlungen
- körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt,
- die innerhalb der Familie oder des Haushalts oder zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen beziehungsweise Partnern vorkommen,
- unabhängig davon, ob der Täter beziehungsweise die Täterin denselben Wohnsitz wie das Opfer hat oder hatte
Meist ist häusliche Gewalt kein einmaliges Ereignis, sondern tritt in einer Beziehung oder Ex-Partnerschaft wiederholt und oft gesteigert auf. Frauen und Männer aus allen sozialen Schichten, mit unterschiedlichem Einkommen und Bildungsstand und jeder Herkunft können betroffen sein.
Dabei muss der konkrete Tatort nicht immer die eigene Wohnung sein, auch wenn beispielsweise ein Partner seine (Ex-) Frau oder Lebenspartnerin oder die Partnerin ihren (Ex-)Mann oder Lebenspartner auf der Straße bedroht oder wenn er beziehungsweise sie in einer anderen Wohnung, in der gleichen oder einer anderen Einrichtung lebt, wird diese Gewalt als häusliche Gewalt bezeichnet.
Häusliche Gewalt wird überwiegend von Männern ausgeübt. Die Gewalt in der Partnerschaft kann über Jahre hinweg anhalten und sich verschlimmern. Meistens wendet der Täter nicht nur eine Form der Gewalt an.
Häusliche Gewalt hat das Ziel, Macht und Kontrolle zu erhalten. Dabei geschieht Gewalt mit dem Vorsatz der Schädigung anderer. Davon abzugrenzen ist ein fremdaggressives Verhalten seitens nicht einwilligungsfähiger Personen (z. B. dementer Menschen) gegen andere.
Die Ursachen häuslicher Gewalt sind im Machtungleichgewicht zwischen den Geschlechtern in unserer Gesellschaft und den daraus resultierenden Rollenbildern für Frauen und Männer zu suchen. Faktoren wie soziale Probleme, Arbeitslosigkeit und Alkoholmissbrauch können das Ausmaß der Gewalt beeinflussen, sind aber nicht mit den Ursachen zu verwechseln.
Im Hellfeld sind ca. 90 Prozent der Verletzten und Betroffenen Frauen. Besonders gefährdet sind Frauen, die sich vom misshandelnden Partner trennen, schwangere Frauen und Frauen mit Beeinträchtigung. Ein Teil der betroffenen Frauen sind Mütter. Ihre Kinder sind als Zeugen oder auch direkte Opfer von der Partnerschaftsgewalt betroffen.
Nach Lenore Walker lässt sich in den meisten Fällen häuslicher Gewalt ein Gewaltkreislauf mit drei Phasen unterscheiden. Sowohl Dauer der einzelnen Phasen als auch die Zahl der durchlebten Zyklen schwanken.
Modell des Gewaltkreislaufes (in Anlehnung an Lenore E. Walker)
Die Anspannungsphase ist durch zunehmenden Ärger und wachsende Streitsüchtigkeit seitens des Partners oder der Partnerin gekennzeichnet. Der davon betroffene Teil bemüht sich z. B. um Beruhigung oder vorauseilendes Tun. Die betroffene Partnerschaftsseite fühlt sich dabei unter einen zunehmenden Druck gesetzt, da sie – fälschlich – ganz alleine bei sich die Verantwortung dafür fühlt, den drohenden Gewaltausbruch abzuwenden.
Die Zeit nach dem Gewaltausbruch ist ein Moment, in dem viele gewaltbetroffene Frauen und Männer bereit sind, Schritte zu unternehmen, um die Gewalt zu beenden. Viele Betroffene gehen in dieser Zeit vielleicht zum ersten Mal zu einer Beratungsstelle gegen häusliche Gewalt, zu einem Rechtsbeistand oder zur Polizei. Wenn Sie Personen mit frischen Verletzungen infolge häuslicher Gewalt behandeln, ist der Moment für eine Intervention günstig. Wenn Sie jetzt auf weiterführende Beratung beispielsweise durch Frauenhäuser, Interventionsstellen oder Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt aufmerksam machen, ist die Chance hoch, dass die Betroffenen diese Angebote annehmen. Eine Befragung der „Agentur der Europäischen Union für Grundrechte“ zu Gewalt gegen Frauen hat ergeben, dass es 87 Prozent der Frauen akzeptabel finden, wenn Ärztinnen und Ärzte routinemäßig zum Thema Gewalt nachfragen, sofern Patientinnen bestimmte Verletzungen oder Merkmale aufweisen.
Die Erhebung zeigt auch, dass verhältnismäßig viele Frauen nach schwerer häuslicher oder sexualisierter Gewalt einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen, jedoch nur sehr wenige Kontakt zu einem Frauenhaus oder einer Opferschutzeinrichtung aufnehmen. Ärztinnen und Ärzten kommt also eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht, Betroffene an weiterführende Angebote zu vermitteln.
In der Ruhephase entschuldigen sich die Tatpersonen oft und zeigen Reue für ihr Verhalten; die meisten Betroffenen unternehmen in dieser Phase keine Schritte zur Beendigung der Gewalt oder zum Verlassen der Beziehung. Sie hoffen, dass die Gewalt nun aufgehört haben wird und, sofern eine Strafanzeige erfolgt war, werden in dieser Phase häufig keine Zeugenaussagen mehr getätigt. Auf die Ruhephase folgt meist die nächste Anspannungsphase und der Gewaltkreislauf setzt sich fort.